Standardtanz als Schulpflicht?

VON LENA RIEMER.

Bei der Finanzierung eines Abiballs kommen am Ende meist mehrere tausend Euro zusammen: Location, Catering, Dekoration und schließlich für jede*n noch das perfekte Outfit. Doch was bringt all das, wenn schließlich zum klassischen Tanz aufgerufen wird und nur die Eltern begeistert aufspringen, während ihre Kinder sitzen bleiben? Sind Grundkenntnisse im Standardtanz eine Kompetenz, die die Schule vermitteln sollte?

Bereits jetzt bietet unsere Schule Tanzkurse an – jedoch nur für jene, die es auch als sportlichen Schwerpunkt gewählt haben. Um mir ein besseres Bild davon zu machen, wie ein Tanzkurs für eine ganze Stufe aussehen könnte, habe ich eine gute Freundin von mir gefragt.

Maria wohnt in einer Kleinstadt in Oberfranken; sie ist jetzt ebenfalls in der Q2 und hat vorletztes Jahr mit ihrer gesamten Stufe einen mehrwöchigen Tanzkurs belegt. Dazu kam es, weil die Eltern einer Schülerin eine Tanzschule besaßen und der Schulleitung somit ein gutes Angebot machen konnten. Maria erzählt, dass „von Blues über Tango, Cha-Cha-Cha, Wiener Walzer bis hin zu Langsamem Walzer“ alles dabei war. Jedoch berichtet sie auch, dass nur Basiskenntnisse unterrichtet wurden und auf die Tänze nicht tiefer eingegangen werden konnte. Man könnte vermuten, dass dies bei einem Volumen von lediglich zehn Unterrichtsstunden schwer möglich war. 

Trotzdem fand sie den Kurs in dieser Form richtig. In ihrer Stufe wurde der Kurs auch größtenteils mit Akzeptanz aufgenommen. Sie beschreibt mir, dass es nicht wirklich überschwängliche Gefühle gegeben habe; niemand fand den Kurs „wirklich cool“, doch auch keiner empfand ihn als extrem schlecht. Sie beschreibt die Haltung ihrer Mitschüler als „eher neutral“. Kritisieren muss sie vor allem, dass der Kurs außerhalb der Schulzeit unterrichtet wurde und dass alle durch den Schulstress, die langen Tage und die zusätzliche Anreise mit dem Bus erschöpft und auch genervt waren.

Die Frage, ob sie es nochmals machen würde, wenn sie es nicht schon hinter sich hätte und sich die Möglichkeit kurz vor dem Abiball ergäbe, muss sie gezwungenermaßen verneinen. „Es ist schon viel Geld und da muss man dann halt auch für sich selbst überlegen, ob man das wirklich braucht“, erklärt sie mir. Es stimmt, umfangreiche Tanzkurse können unter Umständen sehr teuer werden und nicht jeder kann oder will hohe Summen für eine Fertigkeit ausgeben, die er oder sie vielleicht sogar bis zur eigenen Hochzeit nicht mehr braucht. Denn wenn man ganz ehrlich ist: Anlässe für Standardtanz sind kaum noch vorhanden und dann reicht meist auch der von den Eltern schnell beigebrachte Walzer aus. 

Aus dem Interview kann man schließen, dass ein umfangreicher Tanzkurs vielleicht für einzelne Interessierte eine tolle Erfahrung ist, jedoch für die meisten nur zu zeit- und kostenintensiv. Daher scheint es sinnvoller, zum Beispiel nur Walzergrundkenntnisse in den Sportkursen zu unterrichten, unabhängig vom Profil. Die Leute, die dann wirklich tanzen lernen wollen, können ja noch immer unabhängig von der Schule einen Tanzkurs belegen. Denn in unserem eng getakteten Schulsystem wäre wohl kaum noch Zeit, mehrere Schultage für einen Tanzkurs ausfallen zu lassen. Und wozu richtig tanzen lernen, in einer Zeit, in der man den Walzer sowieso nur noch alle paar Jahre einmal aus der Schublade kramt? 

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