„Niemand spricht über das Gnadenjahr. Es ist verboten!“

Vor rund einem Jahr, am 24.02.2020, erschien das dystopische Fantasybuch „The Grace Year – Ihr Widerstand ist die Liebe“ von Kim Liggett bei der Oettinger Verlagsgruppe Dressler. Seitdem gehen die Meinungen auseinander. Nur ein weiteres dystopisches Buch wie andere auch oder eine mitreißende Geschichte?


Die Protagonistin Tierney James ist 16 Jahre alt und lebt in Garner County. Dort heißt es, dass die Mädchen beim Schritt zur Frau Magie entwickeln, mit der sie Männer verzaubern können. Für sie und alle anderen Mädchen in ihrem Alter bedeutet das, im Herbst für das Gnadenjahr („Grace Year“) in die Wildnis geschickt zu werden. So sollen sie in dieser Zeit erst ihre Magie annehmen, um sie dann ablegen zu können. Doch Tierney glaubt nicht an die Magie und träumt, was alleine schon als Magie angesehen wird, von einer Rebellin. Die diesjährigen Gnadenjahrmädchen gehen davon aus, dass die Wilderer ihre größte Bedrohung seien. Doch wie Tierney bald merkt, sind es die Mädchen selbst.

Das Buch ist so mitreißend, dass man nicht aufhören will zu lesen. Man fühlt mit der Protagonistin mit, unter anderem weil das Buch in der Gegenwart geschrieben ist. Auch kann man die Probleme, Sorgen und Wünsche sehr gut nachvollziehen und so in die Geschichte eintauchen. Das Buch ist auch nicht in kurze Kapitel eingeteilt. Es gliedert sich nur in die vier Jahreszeiten. So hat man keine richtigen Anhaltspunkte für eine Pause. Doch das ist nicht schlimm, da man das Buch so oder so nicht aus der Hand legen möchte und die zeitliche Abfolge dennoch klar ist.

Wer aufgrund des Titels eine schnulzige Liebesromanze erwartet, liegt falsch. Es kommt zwar Liebe vor, doch nicht schnulzig im Mittelpunkt, sondern so, wie es in den Kontext passt: Realistisch und nicht überzogen. Die Ähnlichkeit zu anderen Dystopien wird als einziger Kritikpunkt bei dem Inhalt und Aufbau aufgeführt. Doch ich sehe hier kein Problem. Schon der Klappentext stellt klar, dass hier Tribute von Panem auf The Handmaid’s Tale trifft. Da diese Bücher aus dem gleichen Genre kommen, sind Ähnlichkeiten nicht zu bestreiten. Doch hat Kim Liggett in ihrem Buch eine ganz neue, großartige Atmosphäre geschaffen. Der bildhafte Schreibstil verdeutlicht dies. Mit realistischen Formulierungen beschönigt die Autorin nicht. Trotz einiger etwas brutaler Szenen ist das Buch dennoch auf jugendliche Leser ausgelegt. Auch lässt Liggett nicht erahnen, was als nächstes passiert. Die Sätze sind so formuliert, wie es nur die Ich-Erzähler-Sicht von Tierney ermöglicht. So kommen Wendungen plötzlich und wer Feind oder Verbündeter ist, bleibt zunächst unklar, wie auch einige andere Aspekte. Doch dies schadet nicht, denn der Leser erfährt nur, was auch Tierney erlebt. Genau diese Erzählweise macht die Handlung am Ende doch irgendwie schlüssig und vor allem lesenswert.

Zusammenfassend finde ich das Buch und den Erzählstil unglaublich mitreißend . Wer allerdings kein Fan von Dystopien ist oder zu gravierende Ähnlichkeiten befürchtet, sollte das Buch nicht lesen.

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