Leichteres Abi – schwereres Studium?

Das Abitur in NRW wird immer leichter – heißt es. Es sei zu einfach und immer weniger wert. Wenn es darum geht, wie gut das Bildungssystem in NRW ist, liegen wir eher unten in der Statistik. Hinter uns sind nur noch Bremen, Brandenburg und Berlin, an der Spitze stehen Thüringen und Bayern (Daten entnommen aus https://de.statista.com/statistik/daten/studie/201453/umfrage/gesamtbewertung-der-bundeslaender-beim-bildungsmonitor/)

Doch wie wirkt sich das auf den Übergang von der Schule zum Studium aus? Ist es mit einem NRW-Abi schwieriger im Studium als mit einem Bayern-Abi?

Svenja Augustin absolvierte vergangenen Sommer ihr Abitur am K-A-G und studiert an der RWTH Aachen. Kunst und Mathe seien schon immer ihre Lieblingsfächer gewesen, so fiel die Wahl des Studiengangs auf Architektur. „Es war schon alles sehr anders“, berichtet die 18-jährige von ihren Erfahrungen. „Ich musste auf einmal alles alleine machen, vor allem, weil ich nach Aachen gezogen bin.“ So habe sie eine Zeit gebraucht, um sich einzugewöhnen. Allerdings lerne man an der Uni sehr schnell Leute kennen, egal ob im Wohnheim, beim Sport oder auf Partys. Ihr Tipp aber: „Vor allem in den ersten Wochen sollte man zu möglichst vielen Veranstaltungen und Partys gehen.“

Der Aachener Dom

Doch wie war nun der Übergang aus leistungstechnischer Sicht? Hat das NRW-Abi auf das Studium vorbereitet?

„Ein paar Sachen ist man durch die Schule schon gewöhnt, wie den Umgang mit langen Texten oder das Halten von Referaten. Allerdings muss man sich in vielen Fächern Wissen selber aneignen, da die meisten Themen nicht direkt an die Schule anknüpfen“, erzählt die Studentin. Das Studium sei auf jeden Fall noch einmal anspruchsvoller als die Schule.

Das Mathematikzentrum der Uni Bonn

Merle Weber, sie machte ihr Abi diesen Sommer in Leverkusen, berichtet von ähnlichen Erfahrungen. Im Leistungskurs erhalte man kleine Ausblicke auf einzelne Bereiche, jedoch sei das eher wenig. Die 18-Jährige studiert Mathematik an der Universität Bonn. „Der Vorkurs ist eher abschreckend angelegt. Nach einer Woche ist der Stoff definitiv zu schwer für das Schulwissen.“ Es gibt jedoch Hoffnung, solange man sich hinsetze und alles nacharbeite. Dann sei der Vorkurs machbar. Den Übergang beschreibt die Studentin als entspannt, da man ziemlich viel Zeit nach dem Abi hatte. Als es wieder soweit war und man wieder etwas machen musste, wäre sie jedoch überrascht gewesen. Was das Thema Freunde angeht, teilt sie ebenfalls Svenjas Erlebnisse. Auch in Bonn gebe es genügend Angebote, die das Einleben erleichtern.

Das Fazit für NRW: Der Übergang ist taff, die Vorlesungen und Vorkurse knüpfen nicht direkt an den Schulstoff an. Dass man dranbleibt und nicht aufgibt, ist entscheidend.

Und wie sieht es in Bayern aus? Ist es mit einem bayerischen Abitur leichter?

Orhun Cicek schloss sein Abitur in Nürnberg ab. Da er in der Oberstufe sehr viel Freude an den Fächern Biologie, Deutsch und Ethik gehabt habe, entschied er sich für ein Medizinstudium, das er dieses Semester in Rostock aufnahm. Schwierigkeiten habe es vor allem bei der Wohnungssuche gegeben. „Wie 60 % aller Medizinstudenten habe ich den Studienplatz erst am 25. September bekommen und am 2. Oktober war schon die erste Vorlesung. Ich hauste zunächst in einem günstigen Hostel und traf dort auf andere temporär obdachlose Medizinstudenten.“ Später habe er jedoch noch einen Platz im Wohnheim bekommen.

Was den Übergang angeht, ist er überrascht, wie gut seine Biolehrerin ihn auf das Studium vorbereitet hätte. Seine Ethiklehrerin habe ihn vor allem auf das Leben nach dem Abitur vorbereitet, mit Diskussionen über Glücksfindung und Zeiteinteilung. Und obwohl er Physik und Chemie in der 10. abgewählt habe, merke er den Vorsprung, den er vor einigen habe, die schlecht darin waren oder diese Fächer gar nicht hatten. „Ich würde schon sagen, dass man einen klaren Vorsprung hat bzw. einen Grundstein. Es gilt jedoch diesen zu stützen und darauf aufzubauen, nicht darauf auszuruhen.“

Im Gegensatz zur Schule sei Humanmedizin in Rostock ein Selbststudium, das heißt, man bekommt in den Vorlesungen nur Bruchstücke präsentiert, die man zu Hause in Eigenrecherchen vervollständigen muss. Zudem arbeite man mehr mit Büchern und Laptop als mit Mitschriften.

Freunde finden, so auch Orhuns Erfahrung, sei eher kein Problem. Auch wenn man nicht so der Auf-Partys-Kennenlerner sei, gebe es genügend andere Veranstaltungen. Das Fazit also: Gemessen an Orhuns, Svenjas und Merles Erfahrungen, berichtet Orhun von den geringsten Schwierigkeiten, was den Lehrplan angeht. Wenn es darum geht, Freunde zu finden, stimmen jedoch alle in einer Meinung überein: Es gibt genügend Veranstaltungen der Uni, die ausreichend Möglichkeiten dazu bieten. Svenja fasst zusammen: „Studieren ist schon sehr anstrengend und zeitintensiv, aber wenn es das Richtige für einen ist, kann es sogar Spaß machen.“

You may also like...