200 Länder, 5 Monate Lernzeit und 1 Test

Weltweit. Man mache sich einmal bewglobe-609225_1920usst, was diese Kategorie eigentlich bedeutet. Über alles Mögliche, was in den ca. 200 Ländern der Erde passiert, kann man hier berichten. In den Nachrichten hört man dauernd von irgendwelchen politischen Ereignissen, die in anderen Ländern passieren. Teilweise fragt man sich, wo der betroffene Staat liegt. „Afrika? Asien? Südamerika? Oder ist das doch irgendein Inselstaat in der Südsee?“

Im Lehrplan fürs Gymnasium steht nichts Topografisches. Man lernt nicht, wo Laos, Guatemala oder Eritrea liegen. Sie werden höchstens mal erwähnt, wenn es im Unterricht beispielsweise um die Standorte verschiedener Firmen geht.

Naja, eigentlich ist das nicht ganz korrekt, denn diese Lücke im Lehrplan wurde aufgebessert. Torsten Radermacher, Erdkunde-Lehrer am K-A-G, sprach in einer Fachkonferenz für Erdkunde dieses Defizit an. Sein Ausbilder im Referendariat habe ihn darauf aufmerksam gemacht. „Genau das ist es aber, was die Leute draußen von Schülern erwarten; dass man Länder zumindest grob verorten kann“, meint Herr Radermacher. Die Fachkonferenz Erdkunde, bestehend aus allen Erdkundelehrern und einem Elternvertreter, beschloss schließlich einstimmig, in der Jahrgangsstufe 7 einen Test darüber zu schreiben. So wurde das „Bildungsprojekt Länder der Erde“ am K-A-G ins Leben gerufen. Der Erdkundelehrer weiß, dass es weniger sinnvoll ist von den Schülern zu verlangen, auch die ganzen Inselstaaten in der östlichen Karibik oder in der Südsee östlich von Australien zu lernen. Daher gäbe es für die kleinen Inselstaaten einen Zusatzteil, in dem man bis zu 10 Punkte sammeln könne, aber keine Abzüge bekommen könne. In dem Pflichtteil  werden 50 Länder abgefragt, unter denen aber auch Kleinstaaten wie Swasiland oder Andorra sein können. Bei den ersten 40 ist in einer stummen Weltkarte in einem Land eine Zahl eingetragen. Auf ein Aufgabenblatt müssen die Schülerinnen und Schüler das dementsprechende Land schreiben. „Bei den restlichen zehn ist es genau umgekehrt. Ich habe den Schülern eine Zahl auf das Aufgabenblatt geschrieben und dahinter ein Land. Diese Zahl mussten die Schülerinnen und Schüler in die Weltkarte eintragen“, erklärt Herr Radermacher.

Diejenigen, die mittlerweile in der Klasse 8 sind, waren die ersten, die diesen Test in der 7 geschrieben haben. „Die jetzigen Neuner haben den Test in der 7 daher logischerweise verpasst und holen den jetzt nach“, meint der Erdkundelehrer. „Dies tun jedoch nicht alle Neuner, da manche Lehrer vergessen haben, den Schülern rechtzeitig die entsprechenden Karten für Afrika, Europa, Süd- und Mittelamerika und Asien auszuteilen. Den Rest kann man sich ersparen. In der Antarktis haben wir nichts, Australien ist Australien und Neuseeland und Nordamerika teile ich auch nicht aus, denn da haben wir nur die USA und Kanada.“

Der Test sei ausgerechnet in der 7 eingeführt worden, da in diesem Alter die Motivation noch hoch sei. Außerdem gibt es in der 6 und der 8 keinen Erdkundeunterricht. Für die Fünfer sei so ein Test eine Überforderung. Zudem soll das Programm in der Klasse 9 weitergeführt werden. Dann durch Städte, Seen, Flüsse und Berge oder Gebirgszüge, „die man allgemein doch kennen sollte“. Der Test sei in einer siebten Klasse sehr gut angekommen, in der Herr Radermacher ihn schreiben ließ. „Der Durchschnitt war im Eins-Komma-Bereich.“ Auch in einer neunten Klasse war der Durchschnitt sehr gut.

Clara Ziedek (9a) schrieb den Test dieses Jahr bei Herrn Radermacher. Soweit sie sich erinnern kann, war keiner begeistert über den Test. Sie selbst sei genervt gewesen und hatte überhaupt keine Lust darauf. Auch in der ehemaligen 7e hielt sich die Euphorie über den Test in Grenzen. Diese schrieb ihn nicht bei Herrn Radermacher. Lorine Hensel (8d) hatte keine Lust auf den Test, obwohl sie die Idee an sich eigentlich gut findet. „Ich war leicht angespannt, weil ich dachte, dass ich den nicht hinbekommen werde“, berichtet Lina Reez (8a). Im Endeffekt sagen aber alle drei, dass der Test einfacher gewesen sei, als erwartet. „Man musste ja einfach nur auswendig lernen“, sagt Clara Ziedek.

Genau dies habe ein Vater vor elf Jahren an einer Leverkusener Schule an dem Test kritisiert, erzählt Torsten Radermacher. Daraufhin habe er dem Vater aber erklärt, dass die Schülerinnen und Schüler beim Lernen, teilweise unbewusst, Hauptstädte, Berge oder Flüsse mitgelernt haben. „Das war das einzige Mal, dass ich diesbezüglich Kritik erfahren habe. Viele Eltern haben mitgelernt. Daran sieht man, als wie wichtig das erachtet wird.“

Auch der Vater von Lorine hatte großen Spaß mit ihr zu lernen. „Er fand es selber interessant.“ Obwohl der Test in der 7 von Herrn Radermacher auch dazu motiviert hat, mehr zu lernen, war das bei den drei Mädchen nicht der Fall. Lorine hat zu Beginn noch die Hauptstädte mitgelernt, weil sie dachte, das sei erforderlich. Später ließ sie es dann aber bleiben. Sie war beim Lernen sehr unmotiviert und schob dies immer weiter hinaus. Einen Monat vorher fing die damalige Siebtklässlerin an zu lernen, aber im Endeffekt hätte sie doch etwas intensiver lernen müssen. Lina fing zwei Wochen vorher an zu lernen und Clara drei Monate vor dem Test. „Eigentlich hatten wir fünf Monate Zeit zum Lernen, aber das ist zu viel.“ Dies sieht auch Herr Radermacher ein.

Genau wie Lorine hatte auch Clara  keinen Spaß daran für den Test zu lernen. „Ich habe mit einer App gelernt und habe das gemacht, wenn mir langweilig war; zum Beispiel, wenn ich beim Arzt im Wartezimmer saß. Ich habe mir gesagt: Das muss jetzt gemacht werden und dann ging es eigentlich ganz einfach. Außerdem gab es bei der App auch eine Sortierung auf Zeit und da wollte man besser werden.“ Lina und Lorine lernten auch mit einer App. Spaß hatte Lina am Lernen aber nur, wenn sie das mit Freundinnen zusammen machte.

Als langfristiger Effekt war gedacht, dass man einzelne Länder grob verorten kann. Nach etwas mehr als einem Jahr könnten Lina und Lorine die Lage der Staaten zumindest noch ungefähr angeben. Clara glaubt nach zwei Monaten noch alle Länder verorten zu können bis auf einzelne „winzige Staaten“. Somit hatte der Test den gewünschten Effekt.

Aber ist er wirklich sinnvoll?

Den drei Mädchen habe der Test gebracht, dass sie jetzt wüssten, wo ein Land liegt, wenn es in den Nachrichten vorkommt oder man es woanders hört. Lorine und Lina denken daher, dass der Test sinnvoll ist. „Man kann das immer gebrauchen für Dinge im Alltag oder auch für andere Unterrichtsfächer“, meint Lina. Lorine findet den Test etwas zu umfangreich. Clara denkt, der Test sei ganz gut, um eine Stunde mündlich was rauszuholen. Sie findet den Test aber nicht wirklich nötig. Lediglich in Europa sollte man sich ihrer Meinung nach auskennen. „Es ist nicht dramatisch, wenn man nicht weiß, wo manche Länder wie zum Beispiel Laos liegen, aber es ist nicht schlecht zu wissen, wo sie liegen“, evaluiert sie.

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