Das ist ein Klassiker

Auf der Bühne stehen img-20170410-wa0002vier Leute: der Bürgermeister, Ill, der Lehrer und der Pfarrer. Hinter ihnen sind reihenweise braune Kartons aufeinandergestapelt. Auf einem kleinen Podest sitzt der Maler. Vor der Bühne stehen schwarze Stühle. Auch dort sitzen Personen. Fast alle lesen gerade, nur eine schläft.

Da erhebt der Bürgermeister das Wort: „Sie waren mit ihr befreundet, Ill, da hängt alles von Ihnen ab.“ Der Pfarrer antwortet: „Sie sind auseinandergegangen damals. Ich hörte eine unbestimmte Geschichte – haben Sie Ihrem Pfarrer etwas zu beichten?“ „Wir waren die besten Freunde – jung und hitzig – war schließlich ein Kerl, meine Herren, vor fünfundvierzig Jahren – und sie, die Klara, ich sehe sie immer noch, wie sie mir durchs Dunkel der Peterschen Scheune entgegenleuchtete oder mit nackten Füßen im Konradsweilerwald durch Moos und Laub ging […]“, schwärmt Ill von den guten alten Zeiten. Die Personen führen ihre Unterhaltung fort, bis Abigail Geise, Lehrerin für Englisch und Französisch am K-A-G, sie unterbricht. Denn wir befinden uns hier nicht auf der Freilichtbühne oder im Theater, wir befinden uns in der Aula des K-A-G.

Dort probt momentan der Kunst-Literatur-Kurs (kurz KuLt) der Jahrgangsstufe neun für ihre Aufführung am Ende des Schuljahres. Die 23 Schülerinnen werden „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt aimg-20170430-wa0005ufführen.

In dem Stück geht es um die Milliardärin Claire Zachanassian. Vor 45 Jahren verließ sie die Kleinstadt Güllen, weil ihr damaliger Freund Alfred Ill eine Vaterschaft leugnete. Nun kehrt sie in ein verarmtes Güllen zurück, um Rache an Ill zu nehmen. Die Bewohner der Stadt erhoffen sich finanzielle Unterstützung durch diesen Besuch.

Lehrerin Geise habe den Schülerinnen zwei Sachen zur Auswahl gestellt. Einmal ein freies Stück ohne eine Lektüre als Grundlage. Dies sollte das Thema Medienkritik behandeln und „den Besuch der alten Dame“. Ganz demokratisch wählten die Schülerinnen und mit einer Stimme mehr entschieden sie sich für die Lektüre. „Ich denke, dass die Schülerinnen sich dafür entschieden haben, da sie so Text vor sich haben. Außerdem ist es ein Klassiker“, meint Geise. Damit hat die Lehrerin Recht. Sarah Schapitz (9c), Schülerin in dem Kurs, findet das Stück interessant, da es ein Klassiker ist. Außerdem mache der Kurs das Stück moderner. Lisa Lülenschloss (9c) kann sich ihr da nur anschließen: „Das ist ein Klassiker, den jeder kennt, und den mal ein bisschen neu zu inszenieren ist schon toll. Außerdem finde ich die Geschichte interessant und es gibt auch ein paar lustige Szenen.“ Clara Neumann (9c) mag den sozialkritischen Aspekt an dem Stück.

Für die Verteilung der Rollen durfte jeder mal in verschiedenen Szenen verschiedene Charaktere spielen. Nachher durften die Schülerinnen auch sagen, was ihre Traumrollen wären „und dann hat jeder eigentlich so das bekommen, was er wollte“, meint Lisa. Clara erklärt, dass es nicht so sei, dass jeder eine feste Rolle spielt. Jeder spiele verschiedene Rollen, damit nicht einer eine Riesenrolle habe und ein anderer nicht. Die großen Rollen werden von verschiedenen Personen verkörpert, sodass nicht einer ganz viel Text lernen muss. „Es gibt bestimmte Accessoires, an denen der Zuschauer später erkennen kann, welche Rolle auf der Bühne steht, obwohl die Schauspieler andere sind“, sagt Julimg-20170430-wa0004a Kuhlmann (9d).

Allen macht es Spaß an dem Stück zu arbeiten. „Proben wie diese sind die Dinge, die ich an meinem Beruf als Lehrerin am meisten mag“, sagt Geise.

Die Mädchen müssen viel eigenständig erarbeiten. Sie sind dafür verantwortlich, dass alle Requisiten vorhanden sind. „Wir können auch selbst entscheiden, was wir wegstreichen und was wir umändern wollen“, erklärt Sarah.

Zu Beginn der Proben wirkt alles ziemlich chaotisch. Die einen bauen das Bühnenbild auf. Dieses besteht aus Kartons, die immer wieder neu angeordnet werden können. Daher hat sich der Kurs auch für diese Art von Bühnenbild entschieden. Andere gucken, wer fehlt und welche Rollen daher andere übernehmen müssen. Auch Frau Geise übernimmt gerne mal eine Rolle.

Die Mädchen dürfen auf der Bühne ausprobieren, solange es im geordneten Rahmen bleibt. Gerade diesen Freiraum finden die Schülerinnen toll. „Wir müssen sehr kreativ sein“, meint Annika Rücker (9c). Die Mädchen entscheiden von sich aus, in welcher Position sie auf der Bühne sind. Geise regt nur noch zu Verbesserungen an.

Bei den Proben herrscht keine klassische Unterrichtsatmosphäre. Obwohl hart gearbeitet wird, ist die Stimmung sehr freundschaftlich und fröhlich. Immer wieder unterbricht Frau Geise die Szene und macht die Schülerinnen auf Unstimmigkeiten aufmerksam. Diese haben sofort eine Fülle von Ideen, wie man img-20170410-wa0003die Szene schöner gestalten kann. So verändert sich die Szene mit ihrem Bühnenbild mehrmals während der Probe.

Die Arbeit hört nach der Schule nicht auf. Auch hier gibt es „Hausaufgaben“, aber die sehen für alle immer gleich aus: Text lernen. Außerdem sind an mehreren Wochenenden außerschulische Proben angesetzt, damit der Kurs am Stück in Ruhe proben kann, ohne dass in den 5-Minuten Pausen andere Schüler durch die Aula gehen und die Probe stören. Für diese Wochenenden versucht Frau Geise, dass die Technik kommt.

Wer bisher dachte, KuLt sei kein anspruchsvolles Unterrichtsfach, hat sich geirrt. KuLt bedeutet harte Arbeit, aber auch jede Menge Spaß. Es lohnt sich von daher auf jeden Fall zu der Aufführung des Theaterstückes gegen Ende des Schuljahres zu kommen.

Leah Hüttermann & Franka Nordmann (9b)

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