Shirts und lange Hosen statt Sportbikini – Sexismus auch im Sport

Knielange Hosen, kurzärmlige Oberteile, Stutzen und Schuhe. In dieser Kleidung sieht man bekannte Gesichter wie Manuel Neuer oder Christiano Ronaldo bei jedem Fußballspiel. Keine große Sache, denn hierbei handelt es sich schließlich um die Arbeitskleidung der Fußballprofis. Kurze Shorts, knappe Tops oder einfache Bikinis. Auch in dieser Kleidung sieht man bekannte Gesichter wie Karla Borger oder Julia Sude. Doch hier sind die knappen Shorts oder das zu kurze Top eine große Sache. Warum? Es geht um Frauen.

Im März diesen Jahres findet in Katar das World-Tour-Turnier im Beachvolleyball statt. Überraschenderweise ist es in diesem Jahr sogar Frauen gestattet, an diesem Event in der Stadt Doha teilzunehmen. Eine Sensation, wenn man sich vor Augen führt, dass bis zum Ende des vergangenen Jahres Frauen keine Möglichkeit geboten bekommen haben, an dem Turnier teilzunehmen. Weniger überraschend war, dass mit dieser Art Zulassung auch eine Bedingung einhergehen würde.
Die Behörden Katars hatten für das Turnier vorgeschrieben, dass sowohl die Schultern, als auch die Knie der Frauen von Textil bedeckt sein müssen, um an dem Event teilnehmen zu können. Begründung dafür ist der Respekt gegenüber der örtlichen Kultur und Tradition. Vom Volleyball Weltverband FIVB wurde diese Forderung ohne weitere Zögerungen angenommen. Es wurden sogar Regeln verschriftlicht und Skizzen möglicher Bekleidung veröffentlicht. Vereinzelte Äußerungen und der Entschluss einiger Betroffenen nicht am Turnier teilzunehmen sorgte wohl kaum für die Absage des Turniers. Grund dafür, das der Entschluss nicht in Kraft trat, ist der immense Druck, der von den Medien kommt. „Wir verrichten dort unsere Arbeit, aber unser Arbeitsoutfit wird uns verwehrt…Das ist das einzige Land, wo wir von einer Regierung vorgeschrieben bekommen, wie wir unsere Arbeit auszuüben haben.” So Karla Boger in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel”, das vermutlich die größte Aufmerksamkeit erregte. Der Volleyballverband rudert schnell zurück und möchte klarstellen, die Spielerinnen dürften in ihrem Standartoutfit spielen, wenn das ihr Wille sein würde.

Glücklicherweise wurde die Forderung für das sogenannte „Bikini-Verbot” von Seiten des Verbandes zurückgezogen. Damit wäre das Problem vermutlich gelöst. Aber es ist genau dieser eine, dieser kleine Teil, der das ganze ausmacht. Den Sexismus. Der Begriff setzt sich zusammen aus „Sex” und „Rassismus“. Laut dem Duden wird Sexismus wie folgt
definiert: „Benachteiligung von Menschen, besonders der Frauen, aufgrund ihres Geschlechts.” Genau das geht mit dem Beispiel des Bikini-Verbotes einher. Die Benachteiligung der Frau. Wurde je in den Nachrichten über eine Kleiderordnung für Personen männlichen Geschlechts berichtet? Werden an Schulen Erörterungen von Schülern verfasst, ob zu kurze Oberteile für Jungen verboten werden sollten? Selbstverständlich nicht, denn das Problem liegt natürlich eindeutig bei der Frau.

Sexismus lässt sich im Alltag überall wiederfinden. Viele mögen das verneinen. Mittlerweile entspricht ja der Anteil an Frauen im Berufsleben fast dem der Männer. Frauen verdienen zwar immer noch 18 Prozent weniger als Männer, aber das wird schon noch. Hierbei geht es jedoch besonders um die kleinen und unbemerkten Vorfälle. Selten fragen Lehrer nach starken Mädchen, die die Bücher die Treppe hochtragen. Öfter hört man die Frage nach kräftigen Jungs. Wenn die Diskussion über eine Kleiderordnung aufkommt, wird es besonders interessant. Die Aufmerksamkeit bekommen dabei immer nur die Klamotten der Mädchen. Diskutiert wird über kurze Shorts, Oberteile mit Spagettiträger oder Tops, die über den Bauchnabel gehen.

Besonders tragisch ist es, wenn es um ernste und traumatische Themen geht. Frauen erleben die traumatischsten Ereignisse, werden sexuell belästigt oder sogar missbraucht und die wichtigste Frage, die im Gericht gestellt wird, lautet immer noch „Was hatten Sie zum Tatzeitpunkt an?”. Ein knappes Oberteil stellt in diesem Zusammenhang also eine Einladung dar und provoziert den Täter. Der Täter steht also in der Opferrolle. Diese Details werden stets übersehen, von niemandem beachtet, für die meisten sind sie auch nicht von extremer Wichtigkeit. Doch genau dieser Blick auf das Geschehen macht es so schwer, Gleichheit zu schaffen. Große Dinge, wichtige Ereignisse, besondere Vorkommnisse. Hier wird der Sexismus zunehmend bekämpft und ein Ausgleich geschaffen. Es wird den betroffenen Frauen eine Stimme gegeben. Viele profitieren davon, schaffen sich ein gutes Image als Feminist:in. Betrachtet wird
dabei nur die Spitze des Eisberges. Alles, was darunter ist, wird ignoriert. Und der untere Teil dieses Eisberges ist der Alltag der Frauen, die Tag für Tag Sexismus erleben. Menschen, die sich ernsthaft mit dieser Problematik beschäftigen, werden belächelt.

Belächelt werden sie vom System. Von dem System, das dafür sorgt, das Frauen schwach und Männer stark sind. Und wer ist dieses System? Unsere Gesellschaft. Männer und Frauen. Alle sorgen für diese Ungleichheit. Alle sorgen für den Druck, den der Sexismus verursacht. Dieser Druck hat nicht nur Auswirkungen auf die Frau. Auch der Mann trägt Schäden vom Sexismus davon. „Männer dürfen keine Gefühle zeigen.” „Mann oder Memme?”. Denn diese Art von Sexismus trifft den Mann nicht weniger als die Frau, ist aber weniger bekannt. Starke Männer können das ja verkraften.
Es ist wichtig, diesem toxischen System ein Ende zu setzen. Dabei darf nicht nur an der Oberfläche gekratzt werden. Denn die Problematik ist zu groß, um am Weltfrauentag, als Zeichen gegen Sexismus, alle Lippenstifte zu reduzieren und sich gegenseitig Blumen zu schenken.

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