Plötzlich Lehrer

Sie sind kaum still zu kriegen. Die einen sind in die Gespräche mit den Sitznachbarn vertieft, die anderen stehen immer wieder von ihrem Platz auf. Ganz besonders unberechenbar werden sie, wenn sie sich als Gemeinschaft dazu entscheiden, zusammen lauthals loszusingen. So in etwa sah mein Alltag vom 22.01.bis 02.02.2018 aus, denn ich habe eine 2. Klasse der Paulus- Grundschule im Rahmen meines Betriebspraktikums begleitet. Der ein oder andere mag sich vielleicht fragen, wieso ich unbedingt in eine Schule gegangen bin, obwohl ich in dieser Zeit doch zwei Wochen Zeit hatte, um keine Schule sehen zu müssen, um von der Schule abzuschalten und etwas Neues kennen zu lernen. Ich hätte, wie andere Schüler meines Jahrgangs, mein Praktikum bei einem Fernsehsender, in einer Fachhochschule für Mode oder einer Schauspielschule absolvieren können, doch der Lehrerberuf hat mich schon immer fasziniert. Ich wollte mehr über den Schulalltag auf der Seite eines Lehrers herausfinden. Ich wollte mir ein Bild davon machen, wie es sich anfühlt vor der Klasse zu stehen und zu unterrichten. Ich hatte mir erhofft, den Kindern bei ihren Schulaufgaben zu helfen, mich aber auch meinen ersten Versuchungen erzieherischer Aufgaben zu stellen und meine Autorität unter Beweis zu stellen.

Mein erster Praktikumstag fing in der Sporthalle an. Die Zweitklässler sollten mithilfe von Fangspielen ihre Ausdauer- und Schnelligkeit trainieren. „Sie sollen lernen zu verlieren, das ist nämlich eine Hauptaufgabe des Sportunterrichts in der Grundschule.“, erzählte mir der Sportlehrer. „Einige Kinder können schon gut verlieren, andere müssen das noch lernen.“ In der zweiten Stunde begleitete ich die Kinder ins Klassenzimmer. Das Zimmer war groß und bunt eingerichtet, mit Klassenfotos, Postern und Lernplakaten. Ich warf einen verwunderten Blick auf die vielen Kopfhörer, die auf den Tischen der Kinder lagen und fragte mich, ob es den Schülern erlaubt sei, Musik im Unterricht zu hören, doch der Klassenlehrer erklärte mir, dass diese nur als Lärmschutz für die Kinder in den Stillarbeitsphasen da seien, damit diese sich besser konzentrieren könnten. Der Unterricht fing nicht immer ganz so pünktlich an, denn die Kinder waren noch damit beschäftigt, ihre Jacken an den Garderoben aufzuhängen und ihren Freunden und dem Lehrer wichtige Sachen zu erzählen, z. B. dass das eine Kind am Morgen brutal von der Schwester geweckt wurde und das andere Kind sich am Vortag beim Fußballspielen den Ellebogen aufgeschürft hatte. Um solche Gespräche zwischen den Schülern im Unterricht zu vermeiden und um vom Wochenende wieder in der Schule anzukommen, haben die Kinder jeden Montag eine ganze Schulstunde zur Verfügung um von ihrem Wochenende zu erzählen. Außerdem fördert diese Stunde das Klassengemeinschaftsgefühl der Kinder und das Vertrauen zum Lehrer wird gestärkt. In der Frühstückspause hatten die Kinder die Möglichkeit ausgiebig zu frühstücken und einer Geschichte zu lauschen, damit diese sich erholen konnten und neue Energie zum Lernen hatten. Besonders im Grundschulalter ist ein ausgiebiges Frühstück wichtig, um die Konzentration der Kinder zu fördern.

Am zweiten Praktikumstag hatte die zweite Klasse Englischunterricht. Ich war sehr gespannt wie der Unterricht aussähe, da ich keine Vorstellung davon hatte, wie viel Englisch die Kinder schon konnten. Die Kinder wurden zunächst von Jumping Jack begrüßt. Jumping Jack ist ein Stoffkänguru, welches der Protagonist des Englischbuches der Kinder ist. Auf der zum Buch passenden CD gibt es einen Song, in dem es um die Bewegungen geht, die Jumping Jack macht, wie zum Beispiel springen oder klatschen. Die Schüler sollten mitsingen und die im Liedtext genannten Bewegungen nachahmen. Der Englischunterricht in dieser Art war für mich etwas ungewohnt, doch für die Grundschüler ist das Singen und das Ausführen passender Bewegungen zum Text eine gute Methode um sich englische Vokabeln einzuprägen. Der fremdsprachliche Unterricht auf spielerischer Weise führt bei Grundschülern zu großen Lernerfolgen. Im Mathe- und Deutschunterricht war es meine Aufgabe in der Klasse herumzugehen und den Zweitklässlern bei Schwierigkeiten, Problemen und Fragen mit ihren Aufgaben zu helfen. Eine besondere Herausforderung war für mich, als ich intensiv mit einem Jungen mit Migrationshintergrund, der der deutschen Sprache nicht wirklich mächtig war, Techniken zum Minus- Rechnen wiederholt habe. Der Lehrer erzählte mir, dass der Leistungsstand der Kinder in der Grundschule ziemlich unterschiedlich sei. „Auf der einen Seite muss man als Lehrer darauf achten, dass Schüler, die schnell lernen, sich nicht langweilen, auf der anderen Seite muss man schauen, dass alle Kinder den Stoff verstehen.“ Jedoch gefiele ihm gerade dieser Aspekt seiner Arbeit.

Am dritten Tag teilte mir der Lehrer eine größere Aufgabe zu. Um zu erfahren, wie es als Lehrer ist, Tests zu korrigieren, sollte ich am Ende der Deutschstunde die Hefte der Schüler einsammeln und korrigieren. Ich fand es gut, so eine Aufgabe anvertraut zu bekommen und hatte für einen kurzen Moment das Gefühl eine echte Lehrerin zu sein.

Der vierte Tag war ein Highlight für mich, da eine für mich besondere Herausforderung bevorstand. Ich hatte die Möglichkeit, die Zweitklässler im Fach Englisch selber zu unterrichten. Ich war sehr aufgeregt, da man als Schüler nicht jeden Tag vor einer zwanzigköpfigen Klasse steht und diese unterrichtet. Meine Aufgabe war es, den Kindern auf spielerische Weise die Körperteile auf Englisch beizubringen. Als ich mit dem Unterricht begann, war meine Aufregung schon wie weggeflogen, da ich merkte, dass die Kinder mich als Lehrerin ernst nahmen und Spaß beim Mitmachen am Unterricht hatten. Ich hatte Spaß daran, vor der Klasse zu stehen und den Kindern Unterrichtsinhalte zu vermitteln und würde es immer wieder gerne tun. Meiner Meinung nach ist es bei einem Praktikum als Lehrer sehr wichtig selber zu unterrichten, um auch praktische Erfahrungen sammeln zu können.

Am sechsten Tag sollte ich in einer weiteren Aufgabe mein Verantwortungsbewusstsein und meine Autorität unter Beweis stellen, als der Lehrer für eine kurze Zeit aus der Klasse ging, um im Lehrerzimmer Arbeitsblätter für die Kinder zu kopieren. Ich sollte die Klasse unter Kontrolle haben. Der Großteil der Kinder nahm mich ernst und hörte auf mich, als ich sie dazu aufforderte leise zu sein und auf dem Sitzplatz sitzen zu bleiben, doch bei vereinzelten Kindern gestaltete sich diese Aufgabe schwieriger als gedacht, da sie einfach nicht hören wollten.

Am siebten Praktikumstag hatte ich erneut die Möglichkeit praktische Erfahrungen beim Unterrichten zu sammeln, da ich die Zweitklässler in Mathe unterrichten sollte. Es war sehr amüsant für mich, als ich mit den Kindern das Spiel „Eckenrechnen“ machte.

Am achten Tag stand für die Schüler das Fach Kunst auf dem Stundenplan. Die Kinder sollten ihre persönlichen Superhelden malen. Auf den Bildern der Kinder wimmelte es von Spiderman- und Supergirl- Zeichnungen. In dieser Stunde kamen zwei größere Aufgaben auf mich zu. Ein Junge weigerte sich ein Superhelden- Bild zu malen, denn laut ihm seien Superhelden „Babykram“. Ich versuchte ihn zu überreden und argumentierte damit, dass es auch Superhelden für Große gäbe- doch ohne Erfolg. Er blieb weiterhin stur, das leere Blatt vor sich liegend. Bei dem zweiten Fall handelte es sich um ein Mädchen, welches weinend vor ihrem Blatt saß, auf dem man mehrere Anläufe einer Superheldenfigur sehen konnte. Sie erzählte mir, dass ihr ihre Arbeit nicht gefiele und sie sowieso nicht malen könne. Zusammen mit ihrer Sitznachbarin gab ich ihr Inspirationen und Hilfestellung bei ihrer Aufgabe.

Der neunte Praktikumstag begann für mich in der Kirche, denn in der ersten Stunde besuchten die zweiten Klassen den Gottesdienst. Im Englischunterricht durfte ich die Kinder erneut unterrichten. Bei dem Thema der Stunde handelte es sich um Kleidungsstücke. Die Schüler sollten Kleidungsstücke aus Papier in unterschiedlichen Farben ausschneiden. Meine Aufgabe war es, den Kindern zu sagen, in welcher Reihenfolge sie diese in die Hefte einkleben sollten. Ich war stolz darauf, dass die Schüler meinen Anweisungen folgten. Im Deutschunterricht waren die Kinder während eines Testes auf sich alleine gestellt. Viele Kinder wollten mich immer wieder dazu animieren ihnen Lösungen vorzusagen. Ich musste mich dazu beherrschen, zu schweigen. Und vielleicht ist mir das nicht immer ganz so gut gelungen.

Ich war sehr frustriert, als mir am zehnten Tag klar wurde, dass dies mein letzter Praktikumstag werden sollte. Ich begann schon am Morgen, die Zeit in der Grundschule zu vermissen, da diese mir so gut gefallen hatte. Für die Kinder stand ein Mathetest an. Ich ging durch die Klasse und half den Kindern bei Verständnisfragen in den Aufgabenstellungen und sonstigen Problemen. In der dritten Stunde, der sogenannten Spiel- Stunde, durften sich die Schüler alleine beschäftigen. Zwei Schülerinnen, die noch nicht mit dem Mathetest fertig waren, durften die Stunde dazu nutzen, diesen fertig zu stellen. So wurde mir die Erlaubnis erteilt, den zwei leistungsschwächeren Schülerinnen intensiv bei den Aufgaben zu helfen.

Die Nachmittage verbrachte ich jeden Tag in der Betreuung. Anfangs war es eine Herausforderung für mich, auf die Kinder zuzugehen, doch in den nächsten Tagen erübrigte sich dies von selbst und ich spielte jeden Tag mit den Kindern Gesellschaftsspiele, unterhielt mich mit ihnen, jagte mit den Kindern über den Schulhof oder spielte mit ihnen Tischtennis oder Fußball.

Meine Erwartungen wurden in dem Praktikum erfüllt. Mir hat es gefallen die Kinder zu unterrichten und ihnen bei Problemen zu helfen. Besonders viel Spaß hat mir das Beisammensein mit den Kindern gefallen. Erstaunlich fand ich, dass ich beim Spielen in der Kindergruppe involviert war und beinahe wie ein Kind angesehen wurde, beim Unterrichten aber wurde ich als Autoritätsperson angesehen. Ich habe viel im Umgang mit Kindern gelernt. Das Betriebspraktikum hat mir bei meiner Berufssuche weiter geholfen. Ich konnte mich gut in dem Beruf wiedersehen und könnte mir vorstellen ihn zukünftig auszuführen.

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