Internationales Abitur – Fluch oder Segen?


Durch die zunehmende Globalisierung und Vernetzung unserer Erde zieht es vor allem junge Leute immer öfter ins Ausland. Immer mehr Schüler und Studenten verlassen Deutschland während ihrer Ausbildungszeit für ein Jahr, um woanders neue Erfahrungen zu sammeln und sich kulturell weiterzubilden. Besonders beliebt sind dabei natürlich die englischsprachigen Länder wie Großbrittanien, Irland, Amerika, Australien oder Neuseeland, aber auch exotischere Länder wie Russland oder Mexiko werden immer häufiger Ziele eines Auslandsjahres oder Schüleraustausches.

Wie die meisten wissen, ist für Letzteres der beste Zeitpunkt die 10. Klasse. Das liegt daran, dass in diesem Jahr noch keine wichtigen Punkte für das Abitur gesammelt werden. Vielmehr geht es um das Ankommen in der gymnasialen Oberstufe und das Vertrautwerden mit neuen Lehrern, neuen Fächern und dem Kurssystem. Der Austauschschüler verpasst somit also keine wichtigen Klausuren, die später für den Abschluss zählen, sondern versäumt lediglich die Eingewöhnungs- und Orientierungsphase.

Allerdings ist es seit G8 und der damit verbundenen Verkürzung der Oberstufe dennoch gar nicht so leicht, den gesamten Stoff der 10. Klasse komplett nachzuholen und dann nach den Sommerferien nahtlos wieder mit in die 11. Klasse zu gehen. Vielen Jugendlichen ist das zu viel Stress und Aufwand, für viele sogar kaum machbar, aber die Stufe wiederholen möchten sie selbstverständlich auch nicht.

Aus diesem Grund entscheiden sich deutsche Austauschschüler oftmals zu einer Verlängerung ihres Auslandsaufenthaltes, um ihren Abschluss einfach in dem jeweiligen Land zu machen. Statt des deutschen Abiturs haben sie die Möglichkeit, ein internationales Abitur zu absolvieren. Das sogenannte International Baccalaureate (IB) wird so gut wie überall im Ausland angeboten und umfasst ähnlich wie das Abitur ein zweijähriges Programm. Man belegt sechs Fächer: drei davon mit 150 Stunden für den „Standard Level“ und drei mit 240 für den „Higher Level“. Zusätzlich dazu müssen Pflichtbereiche abgedeckt werden. Beim IB sind es fünf: Sprache und Literatur, Fremdsprachen, Naturwissenschaft, Mathematik und Informatik sowie Gesellschaftswissenschaften. Das sechste Fach dagegen ist frei wählbar. Anders als beim Abitur werden am Ende in der Prüfung alle Fächer gleich stark gewichtet. Im besten Fall kann der Schüler 45 Punkte erreichen, mit 24 hat er bestanden.

Mit dem bestandenen IB kann dann in jedem Land an jeder dafür vorgesehenen Uni studiert werden, auch in Deutschland.

An sich klingt das Prinzip zugebenermaßen sehr gut durchdacht und wie die perfekte Lösung für die Auslandsproblematik. Aber einen Haken hat die Sache leider doch. Denn was viele nicht wissen: Laut Beschluss der Kultusminister Konferenz zum Thema ausländische Schulabschlüsse wird das IB nur dann vollständig anerkannt, „wenn es nach einem Besuch von mindestens zwölf aufsteigenden Jahrgangsstufen an Schulen mit Vollzeitunterricht erworben worden ist“. Wenn man allerdings beispielsweise in England, wo der Abschluss bereits nach 11 Schuljahren erfolgt, nur 11 Jahre Schule hinter sich hat und das IB absolviert, ist dieses in Deutschland nicht gültig. Möchte man also nach dem IB wieder nach Deutschland zurückkehren und hier studieren, so muss zunächst ein deutsches Abitur nachgeholt werden. Das IB war zunächst also umsonst.

Daher sollte man sich vor einer solch wichtigen Entscheidung zum Schulabschluss ausreichend informieren, wenn man kein doppeltes Abi machen will. Der Grad zwischen Segen und Fluch des internationalen Abis und der deutschen Bürokratie ist nämlich verschwindend gering in dieser Hinsicht.

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